LA  MUSE INSOLENTE  DE  GEORGES BRASSENS
Georges Brassens en allemand -- traduit et chanté par Ralf Tauchmann


»Ich halte mich nicht für einen Dichter. Ich mache Lieder.«
Georges Brassens • Loïc Rochard: Brassens par Brassens • © le cherche midi • Paris • 2005


»Das poetische Chanson, so wie dieser Textdichter, Komponist und Interpret es versteht, steht in größtmöglicher Nähe zur echten Poesie. Seine Inspiration ist authentisch und speist sich aus einer gleichzeitig volksliedhaften und filigranen lyrischen Tradition, wo die Balladen von Villon und Paul Fort neben derben Schwänken und anonymen Klageliedern stehen. [...]
Wir verdanken Brassens darüber hinaus einen Kurzroman, LA TOUR DES MIRACLES (1953), in dem er mit einer künstlerischen Ader, die an Jacques Prévert erinnert, über seine ersten Jahre in Paris berichtet, die er im Zeichen der anarchisierenden Bohème verlebt hat.«
Lexikon der französischen Poesie der Gegenwart • © Librairie Larousse • Paris • 1968


»Die Poesie im eigentlichen Sinne findet sich in Gedichtsammlungen und nirgendwo anders, vor allem nicht in Liedern unter dem Vorwand, dass diese sich, sobald sie nicht dümmlich sind, Abstand von der Realität nehmen. Diese vorausgeschickte Bemerkung scheint uns unumgäng­lich, seit das breite und für Poesie unzugängliche Publikum bei Charles Trénet, Georges Brassens oder Jacques Brel – um nur drei ehrbare Namen zu nennen – die Nachfolger von Verlaine oder Rimbaud zu sehen glaubt.«
Alain Bosquet: La poésie française contemporaine 1960-1990 • © le cherche midi • Paris • 1994

-- siehe Artikel « Wörter hinter den Wörtern » --


»Warum haben unsere jungen und großen Poeten die Erfolge verschmäht, die ihnen das Chanson hätte versorgen können, ohne ihren anderen Arbeiten zu scha­den? Unsere Sache hätte gewonnen und, ich wage es ihnen zu sagen, ihnen selbst hätte es genützt, zuweilen von den Höhen unseres alten Musentempels herabzusteigen, der etwas aristokratischer ist als es dem Geist unserer guten franzö­sischen Sprache lieb sein kann. Sicherlich hätte ihr Stil teil­weise auf den Pomp der Wörter verzichten müssen, aber im Gegenzuge hätten sie sich daran gewöhnt, ihre Gedanken und Ideen in kleinen variierten, mehr oder weniger drama­tischen Kompositionen zu resümieren, die der Vulgärinstinkt erfasst, auch wenn die gelungensten Details ihm entgehen. Das heißt in meinem Sinne Poesie unterzumischen.«
Pierre-Jean Béranger: Œuvres choisies 1833 • Préface • © Editions du Progrès • Moscou • 1980


Klein erscheint es nun, doch ach, nicht kleinlich dem Herzen:
Macht die Liebe, die Kunst, jegliches Kleine doch groß.
Johann Wolfgang Goethe • Euphrosyne • petit extrait en français
Goethes Werke • Erster Band • Gedichte I © Aufbau-Verlag • Berlin und Weimar • 1988



»Brassens knüpft in seinen Themen an eine anarchistisch-individualistische Tradition an, die jeglicher Aggressivität gegenüber dem gesellschaftlichen System entsagt. Seine stets formstrenge Schreibweise speist sich aus zwei Quellen, zum einen aus einer Dichtung klassischer Form und zum anderen aus Melodien, die sehr vielfältige Genre bedient, aber die durch das gewählte Tempo einen ausgesprochen vertraut-eingängigen Charakter erhalten. Der ungekünstelte Vortrag, diese ganz besondere Art des "Anbringens der Wörter“, der "ungehobelte" Anstrich der Person -- all das gibt den Liedern von Brassens ihr humanistisches Gewicht. Er spricht in einem zeitlosen Ton vom Menschen des 20. Jahrhunderts und kann – ein seltenes Phänomen – alle Schichten erreichen.
Als wohl markantester Liedautor des französischen Chansons seit Charles Trenet hat er mehr als jeder andere eine ganze Generation von Sängern (Jean Ferrat, Anne Sylvestre, Jacques Brel und andere) sowie in der Folge die Liedautoren des „neuen französischen Chansons“ wie Philippe Chatel beeinflusst.
Georges Brassens hat sich bis
zu seinem Lebensende den Werbetrommeln und „Ruhmesposaunen“ verweigert, deren Sinnleere er besungen hat, und konnte sich bis zuletzt einen Inspirationsreichtum und eine Authentizität bewahren, die ihn zu einer ganz eigenständige Persönlichkeit in der Geschichte des französischen Chansons haben werden lassen.«
CD-Universalis 4.0 (Encyclopaedia Universalis)


»Brassens ist vermutlich der Erste, der den Popsänger als Dreh- und Angelpunkt der Gegenkultur etabliert hat. Als Bob Dylan noch ein ganz kleiner Junge war, übernahmen die französischen Jugendlichen den markanten schmalen Schnurrbart den Brassens damals trug, und sangen
seine Lieder, wenn sie hoch zu Sattel auf ihren einzylindrigen Motorrädern durch die Gegend fuhren. Das große Geheimnis von Brassens liegt darin, dass er mit vollkommener Selbsterkenntnis für den harten Kern derjenigen spricht, die nicht anpassungsfähig sind und bleiben. Er wusste, dass er und sein immer größer werdendes Gefolge sich niemals anpassen könnten und würden, und er wusste auch warum und veräußerte dies in jedem Lied, egal um welches Thema es gerade ging. Mit ihm entwächst die Gegenkultur den Kinderschuhen und meldet ihren Anspruch an – keinen Anspruch auf Macht, sondern auf Standpunkt. „Wir verstehen bereits die Geschichte, das Problem liegt darin, sie zu ändern, nicht durch Politik, sondern durch eine Revolution der menschlichen Empfindsamkeit.“«
Kenneth Rexroth, Subversive Aspects of Popular Songs, 1969


»
Ich schreibe, wonach mir der Sinn steht. Wenn die anderen wollen, dass ich Dichter bin, dann bin ich's. Mir selbst ist es vollkommen egal, ob ich Dichter bin oder nicht. Ich schreibe, was mir durch den Kopf und durchs Herz geht -- und die anderen entscheiden dann, was ich bin. Ich selbst halte mich nicht für einen Dichter. Ich kann den großen [Dichtern] nicht das Wasser reichen. Man muss auf dem Boden bleiben.«
Georges Brassens • Loïc Rochard: Brassens par Brassens • © le cherche midi • Paris • 2005


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