|
KURZBIOGRAFIE
GEORGES BRASSENS (22. Oktober 1921 – 29./30. Oktober 1981)
»Das
poetische Chanson, so wie dieser Textdichter, Komponist und Interpret es versteht,
steht in größtmöglicher Nähe zur echten Poesie. Seine Inspiration ist authentisch
und speist sich aus einer gleichzeitig volksliedhaften und filigranen lyrischen
Tradition, wo die Balladen von Villon und Paul Fort neben derben Schwänken und
anonymen Klageliedern stehen.«
|
Lexikon der zeitgenössischen französischen Poesie • 1968 LAROUSSE |
Georges Brassens wurde am 22.
Oktober 1921 in der Hafenstadt Sète (damals noch »Cette« geschrieben) in Südfrankreich geboren. Ohne die Wirtschaftskrise
von 1929 wäre Georges Brassens sicher in die Fußstapfen seines Vaters getreten
und wie dieser Maurer geworden. Infolge der Krise wurde nicht viel gebaut. Die
Kinder waren in der Schule besser aufgehoben. Ein junger Lehrer namens Alphonse
Bonnafé wusste seine Klasse, Brassens insbesondere, für die französische Poesie
zu begeistern. Als 1963 die Lieder von Georges Brassens erstmals als reiner
Gedichtband in der Reihe »Dichter von heute« (Poètes d’aujourd’hui) erschienen, war es Georges Brassens, der die
Herausgeber überzeugte, seinen »alten« Lehrer das Vorwort schreiben zu lassen.
»Bonnafé hat in mir das Interesse für das
geweckt, was man gemeinhin die „schöne Literatur“ nennt, als ich sechzehn,
siebzehn Jahre alt war; er glaubte in mir eine poetische Gabe zu finden, er
versuchte diese weiter zu entwickeln. Ich sehe ihn noch immer; er ist nicht so
viel älter als ich, er war kaum zwölf Jahre älter als ich: Das war ein sehr
junger Lehrer damals. Er war Literaturlehrer. er lehrte Latein und Französisch.«
Georges Brassens verließ die Schule vorzeitig. Er hatte an einigen Diebstählen
teilgenommen und wurde wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung mit
verurteilt. So ließen ihn seine Eltern 1940 nach Paris gehen, wo er bei seiner
Tante Antoinette wohnte und die Pariser Bibliotheken ihm alle Möglichkeiten zu schriftstellerischer
Arbeit boten:
»Damals habe ich mich in die Dichter
versenkt, als ich 1940 gerade in Paris angekommen war. Ich war 18. Zwei drei
Jahre lang habe ich in der Bibliothek des 14. Arrondissements zugebracht
und habe gemerkt, dass ich absolut unfähig war. Dann habe ich mich gefragt, ob
ich durch das Lesen der Dichter nicht so weit kommen könnte, wenn schon nicht
ihr Genie zu erreichen, so doch ein bisschen mein Denken zu verfeinern, um
Lieder zu schreiben, die besser sind als was man so täglich im Radio hörte.«
1943 wurde er zum Arbeitsdienst (S.T.O.) nach Deutschland verpflichtet. Er kam
in die Flugzeugmotorenwerke nach Basdorf, nördlich von Berlin. Von einem
Heimaturlaub im März 1944 kehrte er nicht nach Basdorf zurück, sondern tauchte
in Paris bei Bekannten seiner Tante unter — jener Jeanne, von der er in einigen
Liedern singen wird, und ihrem Lebensgefährten Marcel Planche.
Es folgten Hungerjahre der Suche. Brassens lebte in Armut – in relativer Armut,
wie er bekennt:
»Man hat viel davon gesprochen, dass ich
im Elend gelebt habe. Das ist nicht wirklich wahr. Ich habe das sehr leicht
genommen. Der Krieg war gerade zu Ende, ich war daran gewöhnt, dass viele Dinge
fehlten. Ich lebte von der Großzügigkeit einiger Freunde, ein bisschen so wie
ein Clochard. ... Bis ich 31 Jahre alt war, hatte ich nicht für meinen
Lebensunterhalt gearbeitet. Damals wäre mir nie die Idee gekommen, irgendetwas
zu tun, um Geld zu verdienen.«
Neben einer Mitarbeit an der anarchistischen Zeitung LE LIBERTAIRE schrieb er erste Gedichte und Geschichten und
insbesondere auch Lieder.
»Bevor ich bekannt wurde, habe ich Lieder geschrieben und
bin von Verleger zu Verleger gelaufen. Natürlich hat man mich dort schleunigst
vor die Tür gesetzt: Brassens war „unmöglich“.«
Der Durchbruch
gelingt schließlich 1952:
»Roger-Marc Thérond hat mich trostlosen
Fall eines Abends zu Patachou mitgenommen, damit ich ihr vorsinge. Sie sang
damals noch in ihrem Restaurant in Montmartre. Als alle Gäste gegangen waren,
habe ich Patachou und ihrem Personal alle Lieder vorgesungen, die ich bis
damals geschrieben hatte. Sofort hat sich etwas getan. Es hat Patachou
gefallen.«
Der Erfolg ist nicht offensichtlich.
»Als ich mit dem Gorilla ankam, glaubten
wenige Leute in der Musikbranche, dass so etwas gehen könnte. Nach meiner
ersten Schallplatte hielt der Verleger diesen Erfolg für ein Wunder. Die Leute
dort dachten, dass ich mich nicht lange halten würde – so wie ich auf der Bühne
stand, mit meiner schlechten Stimme usw. Dann habe ich weitere Lieder
geschrieben und das hat sie überrascht.«
Schon in den Liedern DAS TESTAMENT und NAH BEI MEINEM BAUM, die sich am Ende
des ersten Bandes (DER STARKE TOBAK DES MONSIEUR BRASSENS - DIE FRÜHEN LIEDER) befinden, singt Brassens von Verlust der
Ursprünglichkeit und »freiwilliger« Aufgabe der kleinen und naheliegenden Dinge
des Lebens. Zwischen der Unaufdringlichkeit und Schlichtheit seiner Kunst und
der Größe des Ruhms beginnt eine Lücke zu klaffen:
»Ich
kann mich nur schwer an das
Berühmtsein gewöhnen, denn ich war mehr dazu gemacht, unerkannt vorüberzugehen.
Ich mag es nicht, wenn man mich anschaut. Ich mag es nicht so sehr, dass man
sich für mich interessiert. […] Ohne dass ich so weit gehe und sage: ‘Verborgen
lebt, wer glücklich lebt!’, aber ich mochte es nicht, wenn man mich erkennt. Am
Anfang machte mir das Freude, wenn Leute mich auf der Straße erkannten, nicht aus
Eitelkeit des Erkanntwerdens, sondern weil das bedeutete, dass meine Lieder ein
Echo fanden. Danach habe ich mich daran gewöhnt.«
Mit jedem weiteren Lied, mit jeder weiteren Schallplatte steigt die
Anerkennung von Georges Brassens. Er ist auf der Höhe seiner Schaffenskraft und
eine tragende Säule des anspruchsvollen französischen Textchansons. Das zeigt
sich an manchmal kursierenden Bezeichnungen wie »Brassens in Möchskutte« für
den singenden Mönch Aimé Duval oder »Brassens im Rock« für die Chansonsängerin
Anne Sylvestre. Das von Brassens für den Film LES COPAINS geschriebene Lied LES COPAINS D’ABORD
(FREUNDE IN DER NOT) wird zu einem der erfolgreichsten Lieder der französischen
Filmgeschichte.
Andererseits stoßen einige seiner Lieder auch auf heftige Kritik, nicht wegen
sprachlicher Anstößigkeit, denn das ist schon längst so etwas wie Brassens’
Markenzeichen geworden, sondern vor allem auch diejenigen Lieder, die sich
kritisch und aus strikt ziviler Sicht mit den Kriegen des 20. Jahrhunderts
auseinandersetzen (DER 14-ER KRIEG, KEIN GUTES HAAR, DIE ZWEI ONKEL). Leute
verlassen reihenweise das Publikum. Die sonst hochgelobte Doppelbödigkeit der
Brassensschen Lieder stößt im Politischen nicht auf Gegenliebe. Dennoch tragen gerade
auch diese unbequemen Lieder zum Ruhme von Georges Brassens bei, so dass er
1967 den Großen Preis für Poesie der Académie Française erhält.
In der Nacht vom 29. zum 30. Oktober 1981 stirbt Georges Brassens im Alter von
60 Jahren in Saint-Gély-du-Fesc.
RALF TAUCHMANN
Auszüge aus den Vorworten zu DER STARKE TOBAK DES MONSIEUR BRASSENS
ZITATE VON GEORGES BRASSENS AUS FOLGENDEN VERÖFFENTLICHUNGEN:
|
BRASSENS PAR BRASSENS
de Loïc Rochard
© le cherche midi – 2005
|
GEORGES BRASSENS PARLE ENTRETIEN AVEC PHILIPPE NEMO
LE LIVRE QUI PARLE - Institut National de l’Audiovisuel (INA)
©
Jacques Canetti – 1990 |
|