DER  STARKE TOBAK  DES  MONSIEUR BRASSENS
Georges Brassens in deutsch -- übersetzt und gesungen von Ralf Tauchmann

20. Todestag von Georges Brassens
Stephan Göritz im Deutschlandfunk am 30. 10. 2001
(in: »Corso - Kultur nach 3«)

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Heute jährt sich der Todestag von Georges Brassens zum zwanzigsten Mal. In Frankreich ist er längst Teil des Nationalheiligtums, der gelernte Automechaniker aus Sète an der französischen Mittelmeerküste, der in den fünfziger Jahren auf den Pariser Kabarettbühnen Chanson-Karriere machte. Über dreißig Bücher und Doktorarbeiten sind ihm gewidmet, aber vor allem kennt und singt man noch heute seine Lieder, die auch die junge Generation begeistern: gerade erschien ein Sampler mit Rock- und Rap-Versionen von Brassens-Chansons.

    Doch in Deutschland hat Georges Brassens nie die Popularität vieler seiner Kollegen wie Charles Aznavour oder Jacques Brel erlangt. Das liegt sicher zu einem Großteil daran, dass man die Texte von Brassens mit ihren zahlreichen Anspielungen kaum übersetzen kann. Und dennoch gibt es immer wieder einzelne  Sänger, die Chansons von Georges Brassens in deutscher Sprache nachdichten und interpretieren.
    Nach Franz Josef Degenhardt, Peter Blaikner und anderen macht nun ein junger Dichter und Sänger aus Dresden mit seinen Brassens-Versionen auf sich aufmerksam. Ralf Tauchmann, im Hauptberuf Übersetzer technischer Fachtexte, überzeugt in seinen Konzerten immer wieder von der Aktualität der provokanten Brassensschen Gedanken zwischen Poesie und Politik.

Stephan Göritz hat sich mit Ralf Tauchmann getroffen:

»Oh Sterben für Ideen -- diese Idee ist Klasse!
Dass sie mir niemals kam, war um ein Haar mein Tod.

Denn alle, die sie hatten, haben als raue Masse
Mich unter Mordsgeschrei mit der Idee bedroht.
Und meine freche Muse, so derb und doch verletzlich,
Schwört ihrem Irrtum ab, beugt sich der Mordgewalt,
Nimmt diesen Glauben an... mit winz'gem Vorbehalt:
Wir sterben für Ideen -- jawohl, doch nicht so plötzlich
Jawohl, doch nicht so plötzlich...«
Ein böses Chanson gegen jene, die das Sterben für Ideen zur Selbstverständlichkeit erheben wollen, das eigene Sterben wie das Unbeteiligter. Georges Brassens schrieb dieses Lied schon 1972, und doch wirkt es, als wäre es im Herbst 2001 entstanden.
    Genau diese fortdauernde Aktualität fasziniert den Übersetzer und Sänger Ralf Tauchmann. Es ist eine Aktualität, die nicht, wie bei manchen Liedermachern hierzulande, zu Agitation verkommt. Lieder von Brassens sind immer gesungene Literatur, das bemerkte Tauchmann schon in jungen Jahren.
»Der Beginn liegt bei meinem Studium. Ich denke eigentlich, wer sich tiefer mit der französischen Sprache beschäftigt, kommt an Georges Brassens nicht vorbei, der von mittelalterlich angehauchter Sprache bis ins Moderne hinein Sprachen jeder Stilebene verwendet und damit eine ganz eigene Ästhetik und Sprachbehandlung schafft.«
Mehr als achtzig Chansons von Georges Brassens hat Ralf Tauchmann in den letzten zehn Jahren nachgedichtet. Er singt sie mit Erfolg auf kleinen und kleinsten Bühnen, zum Beispiel im Club existentialiste in Berlin, der die Tradition der Chanson- und Diskutierclubs aus dem Paris der Nachkriegsjahre wierderbeleben möchte. Doch sein Geld zum Leben verdient Tauchmann nicht mit kritischen Chansons, im Hauptberuf übersetzt er technische Fachtexte. Die können spannender sein als mancher schlechte Roman, dennoch sagt er:
»Ich wär' eindeutig in die Literaturstrecke gegangen, wenn alles nach mir gegangen wäre. Aber die Welt geht nun mal nicht nach den einzelnen Personen. Ich hab' ja in der DDR studiert, und unser Beruf war etwas politisch angehaucht, zwangsweise. Und ich hab' gesagt, ich möchte bitte in ein technisches Institut oder irgendwohin. Also ich hab' nicht gesagt, ich will nicht in 'ne politische Strecke, aber  ich hab' gesagt, ich möchte in ein technisches Institut. Und da war gerade in der Nähe von Dresden in einem Papierinstitut eine Übersetzerstelle am Freiwerden. Dort bin ich hingekommen, und mir hat das die Rosinen aus dem Kopf geschlagen, in dem Sinne, dass ich dort Präzision gelernt habe. Und die ist mir für Brassens auch zugute gekommen.«
Die Chansons von Jacques Brel, Edith Piaf oder Charles Aznavour werden in Deutschland immer gehört. Georges Brassens dagegen ist bei uns beinahe Geheimtipp geblieben. Für Ralf Tauchmann ist das nicht erstaunlich.
»Frech gesagt, würd' ich sagen, ist er selber dran schuld. Das war 'ne Stimme von der Straße, so als hätt er's Weinglas gerad' abgestellt. Das ist für jemand, der dem Text nicht mehr folgen kann... für den bietet die Stimme und die Musik nicht unbedingt was. Also man muss den Text verfolgen. Das ist ja auch der Sinn meiner Arbeit an den Texten. Nur dann kann man auch die Feinheiten der Melodie teilweise ... beim ‚Nachtclub‘ ist ein eindeutiger Schluchzer drin - 'nous n'irons plus danser au grand bal des quat'z'arts' - ist ‘n Schluchzer, na?«
Doch Ralf Tauchmann schätzt das „Nachtclub“-Lied nicht nur wegen dieses Schluchzers, der nur Sinn hat, wenn man den Text versteht, er liebt es vor allem, weil es ein ganz typisches Chanson für Brassens ist, eines, bei dem Brassens den Zuhörer listig an der Hand nimmt und ihn erst einmal auf eine falsche Fährte lockt.
»Wir stellen uns jetzt vor, wir sind Mitglied eines Nachtclubs, kriegen eine Einladung, also wir sind Stammgast dort. Was, 'ne Beerdigung? Das soll doch bestimmt ein schlüpfriges Spektakel sein, das ist doch nicht ernst gemeint! Also freuen wir uns auf eine Farce, auf eine Posse, die unter die Gürtellinie geht.«
Doch diese Beerdigung, erfährt der Nachtclub-Gast und mit ihm der Zuhörer zum bösen Schluss, die war echt. Georges Brassens prophezeite das Ende der Spaßgesellschaft Jahrzehnte, bevor dieser Begriff überhaupt erfunden wurde.
»Lebt wohl, Pappschädel Ihr mit Attrappengebein!
Kein Totentänzchen mehr zu Flöten und Schalmei'n!
Wenn groß der Nachtclub tagt, tanzen wir nicht mehr an,
Da die Zeit echter Trauerfeiern nun begann...

Wir tanzen nicht mehr an, wenn groß der Nachtclub tagt.
Zurück! Jetzt sind die Leichenwagen angesagt!

Wir tanzen nicht mehr an, wenn groß der Nachtclub tagt.
Zurück! Jetzt sind die Leichenwagen angesagt!«

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(Ein Danke an den Autor dieses Beitrags,
Stephan Göritz, Berlin, für die Bereitstellung des Textes.

 Gesendet im Deutschlandfunk am 30. 10. 2001 in: „Corso - Kultur nach 3")

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