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© 2024 Ralf Tauchmann


DER TOTEN GEDENKEN
(Alphonse de Lamartine / Georges Brassens
deutsch: Ralf Tauchmann)

Die Blätter welken in Massen
Und kommen verdorrt zu Fall.
Der Herbstwind zieht losgelassen
Stöhnend und ächzend durchs Tal.
Die rastlose Schwalbe gleitet,
Die Flügel weit ausgebreitet,
Dicht übers schlafende Moor.
Draußen sammelt vor der Kate
Auf dem Heidekraut der Knabe
Das Holz, das der Wald verlor.

Nun kommen die schweren Wetter,
Wo alles Lebende fällt:
Menschen verweht es wie Blätter
Im Sturmwind vom Gräberfeld.
Tausendfach fallen sie nieder,
Wie aus des Adlers Gefieder,
Wenn der Winter nahe ist,
Federn durch die Lüfte schwärmen,
Ehe ihm, um ihn zu wärmen,
Ein neues Federkleid sprießt.

Ich seh’ noch, wie ihr im Lichte
Sterbensblass die Augen schließt,
Zarte, verderbliche Früchte,
Die Gott nicht ausreifen ließ.
Obgleich noch so jung auf Erden,
Muss ich schon jetzt einsam werden,
Und wenn ich mich leise frag:
»Wo sind jene nur geblieben,
Die wir tief im Herzen lieben?«,
Fällt mein Blick ins Gras hinab.

Wie ein Freund aus Kindertagen,
Den uns in misslicher Zeit,
Um das Schicksal zu ertragen,
Das Leben als Stütze leiht.
Er ist nicht mehr; wir verwaisen!
Und während wir stet vergreisen,
Fragt er mitleidsvoll zuweil’n:
»Sag mir, mit wem wirst du heute,
Lieber Freund, wohl deine Freude
Oder deinen Kummer teil’n ?«

Wie die Braut in ihrer Tugend,
Die vor ihrem Bräutigam
Eine Ahnung nur von Jugend
In das frühe Grab mit nahm.
Traurig selbst im Himmel droben,
Kommt sie ganz tränenumwoben
Und raunt dem Geliebten zu:
„Schau, mein Grab ist grün! Ich werde
Auf dieser verwaisten Erde
Nirgends sein! Wo bleibest du? »


Wie jener Schatten von Vater,
Der uns leis’ beim Sterben nennt;
Jene Schwester, jener Bruder,
Der ein Stück voraus uns rennt.
All jene, die uns das Leben
So nahm wie dereinst gegeben,
Schrecken kurz aus ihrer Ruh’
Und sie murmeln unterm Steine:
»Ihr dort im helllichten Scheine,
Denkt Ihr unser ab und zu?«

Die Blätter welken in Massen
Und kommen verdorrt zu Fall.
Der Herbstwind zieht losgelassen
Stöhnend und ächzend durchs Tal.
Die rastlose Schwalbe gleitet,
Die Flügel weit ausgebreitet,
Dicht übers schlafende Moor.
Draußen sammelt vor der Kate
Auf dem Heidekraut der Knabe
Das Holz, das der Wald verlor.



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