Herbststück
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(Musikdatei: MP3  2,52 MB)

© 2010 Ralf Tauchmann


H E R B S T L I E D


                                                       Ein frischer Wind spielt in den Zweigen;
                                               Das Jahr ist alt und reich und taub.
                                                   Klein-Hagen lässt die Drachen steigen;
                                                       Groß-Siegfried stapft durch welkes Laub.


Wildgänse zogen aus, den Süden zu erobern,
und glitten wie ein V stolz Richtung Horizont;
tief hinter ihnen hat ein Dächermeer zinnobern
mit glitzerndem Geblink im Spätherbst sich gesonnt.

Noch sommertrunken schien die Sonne, schwankend brannte
sie ihre Glut tief ins Gewand des Himmels ein,
der nüchtern, kalt und klar den blauen Bogen spannte,
dem Pfeil der Gänse Kraft zum Scheiden zu verleihn.

Die Dächer, um den Zug der Gänse zu erreichen,
durchfunkeln spiegelhell den sonnig-kalten Tag,
jedoch die himmelan hoch aufgeworfnen Zeichen
pralln wie Geschosse ab vom fernen Flügelschlag.

Auch mein Dach oben funkt wild in panischem Blinken
mein »es ... oh, es wird Herbst!« den Gänsen hinterher,
die gnädig aus dem Blau des Himmels niederwinken,
als sei's ein Lebewohl auf Nimmerwiederkehr!

Der Herbst zieht Fäden und fragt, aufgelöst im Hemde,
Was ist das für ein Weh? in seiner lieben Not.
Die Jugend schreit: Das ist das Fernweh hin zur Fremde!
Das Alter spricht: Das ist das Heimweh her zum Tod!




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